Auszeichnungen
„Wir brauchen starke Eltern und starke Kinder“
Weiterstadt
26. März 2012 | seh
Missbrauch – Handballspielgemeinschaft setzt auf Prävention und Weiterbildung von Trainern und Betreuern
Im Zentrum des Präventionskonzepts steht der Begriff „Kindeswohl“. Es soll dazu beitragen, den Missbrauch von Alkohol und Drogen, aber auch Mobbing, Rassismus und sexuelle Belästigung zu verhindern. „Wir wollen hier klar Stellung beziehen“, sagt Harald Bott. Der Vorsitzende der HSG sieht seinen Verein auch mit in der Verantwortung, wenn es beispielsweise um Anzeichen von sexuellem Missbrauch geht. „Sport ist nicht alles. Wir haben festgestellt, dass wir auch eine soziale Verantwortung haben.“
Viermal im Jahr treffen sich jetzt die Trainer der HSG zu Fortbildungen, bei denen es darum geht, frühzeitig Anzeichen für einen Missbrauch zu erkennen. Im Handballverein gibt es außerdem zwei Ansprechpartner, an die sich Kinder und Jugendliche wenden können. „Es geht vor allem darum, dass Dinge nicht tabuisiert werden“, sagt Anke Bundesmann. Gemeinsam mit Sebastian Bott ist die Sozialpädagogin Ansprechpartnerin für Kinder, die in ihrem Verein Probleme haben. „Unsere Botschaft an die Kinder ist, dass wir als Menschen für sie da sind.“
Nicht erst seit dem Skandal an der Odenwaldschule steht das Thema Kindesmissbrauch im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Eltern, Erzieher, Lehrer, aber auch Trainer in Sportvereinen stehen vor dem Problem, wie mit einem Tabu umgegangen werden soll. Bei der HSG habe man sich für einen offensiven Umgang entschieden. „Wir hatten hier zum Glück noch nicht den Ernstfall“, sagt Harald Bott. „Wir wollen uns aber auch nicht den Vorwurf machen lassen, nichts im Vorfeld unternommen zu haben.“
Ein Baustein des Konzepts ist der vom Landessportbund empfohlene Verhaltenskodex. In ihm bekennen sich Trainer dazu, die Grenzen von Kindern und Jugendlichen zu akzeptieren, gerade in einem körperkontaktfreudigen Sport wie Handball. „Uns geht es auch darum, Betreuer zu sensibilisieren“, sagt Präventionsbeauftragte Anke Bundemann. Künftig solle zum Beispiel immer auch eine Mutter beim Mädchentraining anwesend sein. „Es kann ja auch einmal ein Notfall in einer Kabine der Mädchen auftreten“, erläutert Bundesmann. In diesem Fall würden nicht mehr männliche Betreuer in die Umkleiden kommen, um nach dem Rechten zu sehen.
Viel Anerkennung erhält die HSG für das Präventionsprojekt auch von der Landespolitik. „Ich hoffe, dass dieses Projekt Schule macht“, lobte die Weiterstädter Landtagsabgeordnete Heike Hofmann (SPD) bei der Präsentation. Das Thema Kindesmissbrauch sei ein gesamtgesellschaftliches Problem. „Man geht von 14 000 aufgedeckten Fällen in Deutschland aus.“ Die Dunkelziffer sei jedoch viel höher.
Deshalb will die Landtagsfraktion der SPD nun auch einen Aktionsplan ins Parlament einbringen. „Erzieher, Lehrer und Trainer müssen besser erkennen können, wenn ein Missbrauch vorliegt.“ Der Aktionsplan zielt jedoch nicht nur auf Erwachsene. „In Bezug auf die Sexualerziehung müssten auch die Curricula an den Schulen angepasst werden“, sagt Hofmann. Denn nur wenn Kinder aufgeklärt seien, könnten sie sich auch gegen einen Missbrauchsversuch zu Wehr setzen. „Wir brauchen starke Kinder und starke Eltern.“
In dieser Hinsicht spielten auch Vereine wie die HSG eine entscheidende Rolle. „Wir brauchen Anlaufstellen für die Betreuer“, sagte Hofmann. Dazu müssten Jugendämter, Polizei und Justiz künftig besser zusammenarbeiten. „Die Akteure müssen stärker vernetzt werden.“ Gleichwohl könnten Sportvereine nicht gezwungen werden, ein ähnliches Konzept wie die HSG aufzulegen.
Rainer Thony, Sportwart bei der HSG, ist sich jedoch sicher: „Jeder Verein sollte ein vitales Interesse daran haben. Denn alle sportlichen Erfolge müssen mit einer sozialen Komponente verknüpft sein.“